Händlerregress – Die Haftung des Zwischenhändlers aus Gewährleistung und Schadenersatz

Gewährleistungsrecht

Eine dogmatische und zuweilen humoristische Beleuchtung der Thematik für Unternehmerin und Konsumentin mit anschließendem Ein-blick in das „Gewährleistungsrecht NEU 2022“

Ernst Goldsteiner, Rechtsanwalt

  1. Dem Anspruch einer rechtswissenschaftlichen Abhandlung genügt die folgende Betrachtung der Rechtslage zur angesprochenen Thematik nicht, gibt aber einen strukturierten Ein- und Überblick zur aktuellen Rechtslage mit durchaus pragmatischen und verständlichen Ansätzen für betroffene Normunterworfene. Der vorliegende Beitrag ist beseelt von der Intention eine – im Wirtschaftsleben – alltägliche Thematik leicht verständlich zu präsentieren und damit einhergehend das rechtliche Spielfeld aufzuzeigen.
  2. Im Anschluss gebe ich einen kurzen Einblick über das „Gewährleistungsrecht NEU 2022“, manifestiert in den beiden Richtlinien der Uniongesetzgebung
    • Warenkauf-Richtlinie (EU) 2019/771 (WKRL) und
    • Digitale-Inhalte-Richtlinie (EU) 2019/770 (DIRL) welche Vorschriften zur Umsetzung bis 01.07.2021 zu erlassen und ab 01.01.2022 in den Mitgliedsstaaten an-zuwenden sein werden.
    • Die Warenkauf-Richtlinie (WKRL) wird der Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG nachfolgen und gilt für Kaufverträge über Waren zwischen einer unternehmerischen Verkäuferin und einer Konsumentin. Die Digitale-Inhalte-Richtlinie (DIRL) gilt für Verträge, in denen eine Unternehmerin einer Konsumentin digitale Inhalte oder Dienstleistungen bereitstellt.
    • Als gendergerechte Schreibweise habe ich das generische femininum gewählt. Damit möchte ich gerne strukturell eine Diskriminierung von Frauen sowie Personen ohne klare Zugehörigkeit zu einer heteronormativen geschlechtlichen Identität in der aktuell maskulin determinierten Sprache ausschließen und eine gewünschte generelle Gleichstellung aller signalisieren. Soweit das generische maskulinum Verwendung findet, ist dieses auch fallbezogen zutreffend. Dort wo mein Vorhaben einer gendergerechten Schreibweise nicht gelungen ist, möge dies mir – mein ernstes Bemühen wohlwollend zuerkennend – nachgesehen werden.

    INHALTSVERZEICHNIS:

    1. EINLEITUNG
    2. RECHTSSTREIT VOR GERICHT
    3. WERKZEUGKOFFER
    4. VERTRÄGE
    5. WERKVERTRAG-KAUFVERTRAG
    6. PRAXISTIPP
    7. GEWÄHRLEISTUNG
    8. SCHADENERSATZ
    9. MANGELFOLGESCHADEN
    10. PROBLEMLÖSUNG
    11. PRAXISTIPP
    12. GEWÄHRLEISTUNG
    13. SCHADENERSATZ
    14. ERGEBNIS
    15. STRECKENGESCHÄFT
    16. PRAXISTIPP
    17. ZUSAMMENFASSUNG
    18. PRAXISTIPP
    19. AKTUELLE JUDIKATUR DES OGH
    20. GEWÄHRLEISTUNGRECHT NEU 2022
    21. BISHERIGE RECHTSLAGE
    22. GEWÄHRLEISTUNGRECHT NEU 2022
    23. PRAXISTIPP AN KONSUMENTIN
    24. PRAXISTIPP AN UNTERNEHMEN

    Einleitung:

    Der angekündigte Themenkreis soll an zwei praktischen – aus dem Wirtschaftsleben gegriffenen – Sachverhalten, die von meiner Kanzlei bei Gericht – jeweils auf Seiten des beklagten Unternehmens – rechtsfreundlich vertreten wurden, bearbeitet werden.

    Beispiel 1:

    Der Bauherr schließt mit einem Baumeister als Generalunternehmer einen Vertrag. Zweck ist die Errichtung eines Einfamilienhauses. Der Baumeister als Generalunternehmer beauftragt einen Bodenleger mit der Verlegung eines Parkettbodens. Der Bodenleger bestellt beim Zwischenhändler einen Parkettboden. Der Zwischenhändler bestellt diesen Parkettboden beim Hersteller in Deutschland.

    Beispiel 2:

    Der sportbegeisterte Kläger bestellt im Sportgeschäft einen Fitnessturm. Das Sportgeschäft hat dieses Fitnessgerät beim Zwischenhändler eingekauft, der dieses wiederum beim Hersteller in Deutschland eingekauft hat.

    • Rechtsstreit vor Gericht:
    1. In unserem „Beispiel 1“ treten kurze Zeit nach dem Einbau des Parkettbodens Mängel auf. Der Parkettboden „schüsselt“. Der Bauherr klagt daraufhin den Baumeister als Generalunternehmer auf Mängelbehebung nach den gesetzlichen Bestimmungen §§ 1167 iVm §§ 922, 932 Abs. 1 iVm Abs. 2 und §§ 1295 iVm 933a ABGB. Das ist eine Fülle an Paragraphen. Zur Bedeutung dieser gesetzlichen Bestimmungen aus dem Gewährleistungsrecht und Schadenersatzrecht kommen wir etwas später.
    1. In unserem „Beispiel 2“ ist der Fitnessturm mangelhaft. Der Fitnessturm dünstet Farbe aus, welche in den Natursteinboden diffundiert. Der Steinboden muss an vier Stellen erneuert werden. Der sportbegeisterte Konsument klagt den Sporthändler.
    1. Die rechtliche Lösung ist in beiden Beispielfällen ähnlich gelagert. Bevor an der Lösung gearbeitet werden kann, befüllen wir unseren rechtlichen Werkzeugkoffer mit dem für die Lösung der Rechtsfälle erforderlichen Werkzeug.

     

    1. WERKZEUGKOFFER:

     

    • Verträge:

     

     

    In beiden Beispielfällen liegt ein Vertrag vor. Der Parkettbodenfall wird sich als Werkvertrag, mit Elementen aus einem Kaufvertrag, ausweisen. Der Fitnessturmfall wird wohl ein Kaufvertrag sein. Ein Vertrag kommt durch zwei Willenserklärungen zustande. Einem Angebot und dessen Annahme (Synallagma). Mit der Annahme des Angebotes wird der Vertrag für die Parteien verbindlich. Zwischen den Parteien besteht Willensübereinstimmung (Konsens). Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jede Normunterworfene die Möglichkeit selbst zu entscheiden, mit wem und ob überhaupt und mit welchem Inhalt ein Vertrag abgeschlossen werden soll. Grundsätzlich besteht Freiheit den Vertrag nach freiem Willen zu gestalten. Diese Vertragsfreiheit ist grundsätzlich nur insoweit beschränkt, als Vertragsbestimmungen gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen. In unseren beiden Beispielfällen kam es jeweils zur Willensübereinstimmung (Konsens). Der Parkettboden sollte die vertraglich bedungenen und gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften haben. Der Parkettboden sollte nach der Vorstellung beider Vertragsparteien nicht „schüsseln“. Der Fitnessturm sollte nach der Vorstellung beider Vertragsparteien keine Farbe ablösen, die in den Fußboden diffundiert. Auf der Ebene der Rechtswirksamkeit des Vertrages ist daher keine Problemstellung zu erkennen.

     

    • Werkvertrag – Kaufvertrag:

     

     

    2.1. Bei einem Werkvertrag wird der Werkunternehmer (Bodenleger) zur Herstellung eines bestimmten Werkes und der Werkbesteller (Bauherr) zur Bezahlung des Werklohns verpflichtet. Bei einem Kaufvertrag wird der Verkäufer (Sportgeschäft) zur Übergabe und Übereignung des Kaufobjektes und der Käufer (Konsument) zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Die Vertragsparteien eines Vertrages sind grund-sätzlich an den Vertrag gebunden (pacta sunt servanda). Einvernehmlich kann ein Vertrag jederzeit aufgelöst werden. Einseitig kann ein Vertrag nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgelöst werden. Beispiele dafür sind: Anfechtung wegen Irrtums, List, Drohung sowie Rücktritt vom Vertrag wegen Leistungsverzug oder Wandlung eines Vertrages im Rahmen von gewährleistungsrechtlichen Gestaltungsrechten. Die Konsumentenschaft kann einen Vertrag sogar ohne Angabe von Gründen einseitig auflösen (§ 1 KSchG), wenn das gesetzliche Rücktrittsrecht innerhalb von 14 Tagen ausgeübt wird (siehe auch § 3 KSchG – Rücktritt vom Haustürgeschäft). Für die Konsumentin wurde ein neues Rücktrittsrecht kodifiziert, bei Geschäften im Fernabsatz (§ 11 FAGG). Das österreichische Konsumentenschutzgesetz hat durch die Umsetzung der unionsrechtlichen Verbraucherrechte – Richtlinie im Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz-VRUG durchgreifende Änderungen erfahren, die sich im allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, im Konsumentenschutzgesetz sowie im Fern- und Auswärtsgeschäfte Gesetz (FAGG) finden. Die neuen Bestimmungen gelten für alle Verträge, die nach dem 13.06.2014 geschlossen wurden.

     

    2.2. Eine Anmerkung noch zum Werkvertrag. Die Werkbestellerin (Bauherrin) kann sich auch ohne Angabe von Gründen immer von einem Werkvertrag lösen. Der Oberste Gerichtshof hat dies sehr schön in einem erst kürzlich ergangenen Judikat präzisiert (OGH 26.01.2018, 8 Ob 131/17y).

     

    2.3. Die Werkbestellerin hatte beim beklagten Werkunternehmer eine Küchenplanung mit Lieferung und Einbau einer modernen Küche zu einem Werkpreis von EUR 21.000,00 bestellt. Nach Vorlage der Gesamtplanung durch den beklagten Werkunternehmer stornierte die Werkbestellerin den Auftrag. Der Werkunternehmer stellte eine Rechnung für seine bisherigen Leistungen in Höhe von 10 % des Gesamt-Honorars und vertrat den rechtlichen Standpunkt, dass der Vertrag weiterhin aufrecht wä-re. Der Oberste Gerichtshof gab der klagenden Werkbestellerin recht. Ein Werkunternehmer hat keinen Anspruch auf Ausführung oder Vollendung seines Werks. Ihm steht kein Recht auf Beschäftigung zu. Hingegen kann die Werkbestellerin nach Belieben die Vollendung des Werks verhindern, weil es unbillig und unzweckmäßig ist, die Werkbestellerin zur Abnahme eines Werks bzw. deren Fertigstellung zu zwingen, wenn sie das Interesse daran verloren hat (RIS – Justiz RS0021809). Die Abbestellung des Werks durch die Werkbestellerin ist nicht rechtswidrig. Die Stornierung des Auftrags beendet das Vertragsverhältnis sofort. Der Werkunternehmer ist hingegen nach § 1168 Abs. 1 ABGB berechtigt einen eingeschränkten angemessenen Werk-lohn zu fordern. Der Werkunternehmer hat Anspruch auf das vereinbarte Entgelt

     

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    muss sich jedoch anrechnen lassen, was er sich durch Unterbleiben der Werktätigkeit erspart hat. In § 1168 Abs. 1 ABGB ist diese Regelung positiviert.

     

    2.4. Ein Praxistipp an die Werkunternehmerin könnte daher sein, von dieser gesetzlichen Bestimmung vertraglich abzugehen z.B. durch Vereinbarung einer Abnahme-verpflichtung oder von – die Grenzen der Sittenwidrigkeit nicht überschreitenden – Pauschalvergütungen. Soweit ein kleiner Ausflug in die Welt der Küche mit der auf-gezeigten Ausnahme vom – aus dem römischen Recht entlehnten – Grundsatz „pacta sunt servanda“.

     

    1. Gewährleistung:

     

    3.1. Beide Vertragsparteien sind grundsätzlich vom Wunsch ergriffen, störungsfreie Leistungen auszutauschen. Die Bestellerin wünscht sich eine mangelfreie Erbringung der bestellten Leistung. Die Lieferantin wünscht sich fristgerechte Zahlung. Wenn nun in der Erfüllung eines zunächst wirksam begründeten Vertragsverhältnisses eine Störung auftritt, sprechen wir von einer Leistungsstörung. Die Gewährleistung ist ein Fall davon. Nach der Intention der Gesetzgebung hat die Werkunternehmerin bzw. Verkäuferin eines Gewerkes bzw. eines Kaufgegenstandes für Mängel einzustehen. Dies grundsätzlich verschuldensunabhängig.

     

    3.2. Ein Mangel liegt dann vor, wenn das Gewerk (Verlegung des Parkettbodens) oder die gelieferte Sache (Fitnessturm) nicht die ausdrücklich vereinbarten oder im Ver-kehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweist. Ein Parkettboden sollte nicht „schüsseln“. Von einem Fitnessturm sollte sich keine Farbe ablösen.

     

    3.3. Ob das Gewerk bzw. die Sache dem Vertrag entspricht, ist nach § 922 Abs. 2 ABGB zu beurteilen. Die Gesetzgebung unterscheidet zwischen Rechts- und Sachmängeln. Ein Sachmangel haftet der Sache körperlich an. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn die Verkäuferin der Käuferin nicht die rechtliche Position verschafft, die vertraglich einzuräumen ist. Die Gesetzgebung unterscheidet auch zwischen geringfügigen und nicht geringfügigen Mängeln. Danach richten sich auch die Gewährleistungsbehelfe (Verbesserung, Preisminderung, Wandlung etc.).

    3.4. Der Gewährleistungsanspruch ist gegen die unmittelbare Vertragspartnerin geltend zu machen. Der Erwerber des Gewerkes (Bauherr) bzw. der Käufer des Kaufgegenstandes (Fitnessturm) hat die Mangelhaftigkeit als auch den Vertragsinhalt zu beweisen. Diese grundsätzliche Beweislastregel hat in § 924 ABGB eine wichtige Ausnahme. Tritt innerhalb von 6 Monaten ab Übergabe der Sache ein Mangel auf, wird vermutet, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Dies löst – ohne weitere Beweislast für den Käufer – zu seinen Gunsten Gewährleistungsansprüche aus. Innerhalb dieser 6 Monate hat der Übergeber (Bodenleger) bzw. Verkäufer (Sportgeschäft) den Beweis zu erbringen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorhanden war sondern erst später in der Sphäre des Übernehmers (Bauherrn) oder Käufers (Konsument des Fitnessturms) aufgetreten ist.

     

    3.5. Ein Mangel ist grundsätzlich gerichtlich geltend zu machen, wenn ein solcher nicht von Schuldnern anerkannt wird.

     

    3.6. Der Kunde ist berechtigt, das Entgelt (Werklohn des Bodenlegers) bzw. den Kaufpreis (Fitnessturm) bis zur Mangelbehebung zurückzubehalten. Dies bis zur Grenze der Schikane (nach der Judikatur ca. 2 % bis 5 % des Werklohns bzw. Kaufpreises).

     

    3.7. Bei beweglichen Sachen beträgt die Gewährleistungsfrist zur gerichtlichen Geltendmachung 2 Jahre. Bei unbeweglichen Sachen 3 Jahre. Die Frist läuft ab Übergabe des Gewerkes bzw. Kaufgegenstandes. Die Lieferung und der Einbau des Parkett-bodens wird unter die 3-jährige Gewährleistungsfrist fallen. Der Fitnessturm ist als bewegliche Sache jedenfalls der 2-jährigen Gewährleistungsfrist unterworfen.

     

    3.8. Gewährleistungsansprüche sind jedenfalls verschuldensunabhängig. Es ist nur der Beweis des Mangels zu erbringen. Hat der Schuldner (Bodenleger oder Sportgeschäft) schuldhaft mangelhaft geleistet, kann der Vertragspartner neben den Gewährleistungsansprüchen auch Schadenersatz nach § 933a ABGB verlangen.

     

    3.9. Die Gesetzgebung präsentiert Gewährleistungsbehelfe mit einer bestimmten Rangfolge. Als primären Gewährleistungsbehelf rechnet die Gesetzgebung der Unternehmerin einen Verbesserungsvorrang bzw. Austausch der Sache zu. Demnach ist eine sofortige Forderung nach Preisminderung oder Wandlung des Kaufvertrages (Rücktritt) nicht möglich.

     

    3.10. Wir haben nun bald unseren Werkzeugkoffer mit dem – zur Problemlösung – notwendigen Werkzeug befüllt, womit wir uns auch bald der Bearbeitung und Lösung des Themas dieses Beitrages zuwenden können. In der Praxis zeigt sich häufig durch eine gesamte Absatzkette hindurch (Herstellerin-Zwischenhändlerin-Unternehmerin-Konsumentin), dass eine von Anfang an mangelhafte Sache (bereits vom Herstellerunternehmen mangelhaft) geliefert wird. Demnach besteht grundsätzliche in jedem Vertragsverhältnis der Absatzkette ein Gewährleistungsanspruch. Eine der Problemstellungen liegt in der Länge der Gerichtsverfahren, die zur Verjährung von Gewährleistungsansprüchen in der Absatzkette führen, sodass das letzte Glied in der Absatzkette (Bodenleger bzw. Sportgeschäft) die ganze Gewährleistungslast zu tragen hätte. Die Gesetzgebung hat diese Problemstellung aufgegriffen und im Gewährleistungsrechtsänderungsgesetz GewRÄG 2002 den Händlerregress eingeführt. (§ 933b ABGB). Diese gesetzliche Bestimmung ermöglicht es dem Unternehmer (Bodenleger bzw. Sportgeschäft), der einem Verbraucher Gewährleistung zu erbringen hat, von seinem Vormann (Zwischenhändler/Hersteller) auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist (2 bzw. 3 Jahre) gewährleistungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Der Bodenleger bzw. Sportgeschäft kann sich daher beim Lieferanten (Zwischenhändler) bzw. Hersteller der mangelhaften Sache regressieren. Nach der Intention der Gesetzgebung soll letztlich auch der wahre „Schuldige“ den wirtschaftlichen Nachteil tragen. ACHTUNG: Dieser Regress ist innerhalb von 2 Monaten nach Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht gerichtlich geltend zu machen. Außerdem gibt es eine absolute Frist von 5 Jahren. Nach aktueller Rechtslage ist der Regress auch mit der Höhe des eigenen Aufwandes beschränkt. Dazu aber später.

     

    1. Schadenersatz:

     

    4.1. Die Gesetzgebung normiert im ABGB, dass grundsätzlich der/diejenige den Schaden zu tragen hat, in dessen Person oder Vermögen er sich ereignet hat. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Schadenersatzanspruch von einer Dritten (juristi-schen) Person ersetzt verlangt werden. Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch sind das Vorliegen eines Schadens, die Verursachung durch die schädigende (juristische) Person, das zurechenbare Verschulden und die Rechtswidrigkeit des Handelns.

     

    4.2. Damit eine dritte (juristische) Person zur Zahlung eines Schadenersatzanspruches herangezogen werden kann, muss der Schaden auch zurechenbar sein. Dies erfolgt durch eine Kausalitätsprüfung. Entfällt der Schaden, wenn man sich das schädigende Ereignis wegdenkt, dann ist die Handlung der dritten (juristischen) Person für den Eintritt des Schadens kausal.

     

    4.3. Ein weiteres Zurechnungsmomentum liegt in der Rechtswidrigkeit. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der schädigenden (juristischen) Person kann sich aus einem Verstoß gegen Vertrag (ex contractu), gegen die guten Sitten oder strafrechtliche Normen (ex delicto) oder das Gesetz (ex lege) ergeben.

     

    4.4. Ein weiteres Zurechnungsmomentum ist das Verschulden. Das Verschulden ist die Vorwerfbarkeit eines rechtswidrigen Verhaltens. Schuldhaft handelt die Person, die in der Lage war, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens zu erkennen und danach zu handeln. Beim Verschuldensgrad wird unterschieden zwischen vorsätzlichem Handeln sowie grobem oder leichtem fahrlässigen Handeln.

     

    4.5. Der Schadenersatzanspruch ist gerichtet auf den Ersatz des positiven Schadens oder Ersatz des entgangenen Gewinnes. Der Umfang der Ersatzpflicht richtet sich nach dem Verschuldensgrad der schädigenden (juristischen) Person. Wenn die schädigende (juristische) Person grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt, ist sowohl der positive Schaden, als auch der entgangene Gewinn zu ersetzen.

     

    4.7. Das Vorliegen eines Verschuldens einer dritten (juristischen) Person muss die Geschädigte beweisen (Beweislast).

    1. Mangelfolgeschaden:

     

    5.1. Mit den Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch, Preisminderung und Wandlung) kann nur der Mangel des Gewerkes bzw. des Kaufgegenstandes selbst bereinigt werden. Der Schaden, der nicht im Mangel des Gewerkes bzw. des Kauf-gegenstandes selbst liegt, sondern erst durch den Mangel verursacht wurde (Mangelfolgeschäden) kann nur mit dem Behelf des Schadenersatzrechtes und damit nur bei Verschulden des Unternehmers (Bodenlegers bzw. Sportgeschäfts) geltend gemacht werden. Mangelfolgeschaden kann z.B. auch Aus- und Einbaukosten (mangelhaften Parkettboden aus- und wieder einbauen bzw. den Natursteinboden aus-und einbauen) betreffen.

     

    5.2. Der EuGH hat in einem aufsehenerregenden Urteil vom 16.06.2011 VerbRs C-65/09 (Gebr. Weber) und C-87/09 (Putz) zum Ausspruch gebracht, dass der Übergeber (Bodenleger bzw. Sportgeschäft) den Mangelfolgeschaden (Aus- und Einbaukosten) der Konsumentin zu ersetzen hat (verschuldensunabhängig). ACHTUNG: Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmen gilt dies nicht. Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmen sind Mangelfolgeschäden (Ein- und Ausbaukosten) nicht mit Gewährleistungsregeln sondern nur – und damit für die KonsumentIn bei Gericht schwer zu beweisen – nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (also nur bei Vorliegen eines Verschuldens der Übergeberin bzw. Verkäuferin) zu ersetzen. (OGH 25.03.2014 9 Ob 64/13x)

     

    • PROBLEMLÖSUNG:

     

     

      1. Unser rechtlicher Werkzeugkoffer ist nun befüllt. Wir können nun an die Bearbeitung unseres Themas „Händerlerregress – die Haftung des Zwischenhändlers in der Absatzkette aus dem Titel der Gewährleistung und Schadenersatz“ herangehen. Bei dieser Betrachtung legen wir den Fokus auf das Fallbeispiel „Beispiel 1“ mit dem Parkettboden. Wir beginnen mit folgendem Organigramm einer Absatzkette:

     

    BAUHERR

     

    GENERALUNTERNEHMER

     

    BODENLEGER

     

    ZWISCHENHÄNDLER

     

    HERSTELLER

     

    1. Diese arbeitsteilige Kette kennen Sie. Das moderne Wirtschaftsleben hat diesen arbeitsteiligen Ablauf mit sich gebracht. Bis das Produkt die Endkundin erreicht durchläuft es mehrere Stationen. Es liegt bereits auf der Hand, dass sich dadurch mehrfach die Rechtsprobleme potenzieren. Der Verkäufer (Bodenleger bzw. Sport-händler) hat für mangelhafte Ware aus dem Titel der Gewährleistung oder Schadenersatz einzustehen. Dieser versucht sich in der Regel bei seinem Lieferanten (Vor-mann in der Absatzkette) schadlos zu halten. Das Ziel einer jeden Teilnehmerin in der Absatzkette heißt Rückgriff (Regress). Denn der Mangel besteht schon seit der Geburt des Produktes, als es die Tore des herstellenden Unternehmens verlassen hatte. Der Endkunde (Bauherr) wendet sich an seinen Vormann (Generalunternehmer/Bodenleger). Die Frist für die Gewährleistung beträgt zwei Jahre oder drei Jahre. (§ 933 ABGB) Der Generalunternehmer bzw. Bodenleger hat Gewährleistung oder Schadenersatz zu erbringen und wendet sich in weiterer Folge an seinen Lieferanten (Zwischenhändler), der wiederum bei seinem Vormann (Hersteller) Regress nimmt.

     

    1. Nun gut. Soweit die Theorie. Wenn das Problem vom Endkunden (Bauherr) zu Gericht getragen wird, droht durch die Länge des Gerichtsverfahrens – in der Absatzkette für den jeweiligen Rückgriff beim Vormann (Regress) – die Verjährung. Abhilfe versucht die gesetzliche Bestimmung des § 933b ABGB zu schaffen, welche in Umsetzung des Art.4 der VGK-RL (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG) der Unionsgesetzgebung in die österreichische Gesetzgebung eingefasst wurde. Diese gesetzliche Bestimmung gibt dem Unternehmer (Bodenleger) das Recht, von seinem Vormann (Zwischenhändler) im Regresswege Gewährleistung zu fordern, wenn er zuvor seinem Vertragspartner (Bauherr) Gewähr geleistet hat. Die Verjährung ist gesetzlich gehemmt. Der Anspruch muss aber 2 Monate nach Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht (Bodenleger an Bauherrn) gerichtlich geltend gemacht werden. Absolute Verjährungsfrist ist 5 Jahre. Es empfiehlt sich daher jedenfalls in einem Gerichtsstreit dem Vormann den Streit zu verkünden. Dies hemmt auch den Ablauf der 5-jährigen Verjährungsfrist. Dies allerdings nur diesem seinem Vormann gegenüber.

     

    1. ACHTUNG: § 933b ABGB ist kein Allheilmittel. Wenn der Unternehmer (Bodenleger) mit seinem Vormann (Zwischenhändler) die Pflicht zur Gewährleistung vertraglich ausgeschlossen hat, dann ist selbstverständlich kein Regress möglich.

    Praxistipp: ein vertraglicher Ausschluss des Regressweges ist zwischen Unternehmern gesetzlich möglich.

     

    1. Wir kennen es noch aus Erzählungen der Generation vor uns, dass der Weg des Produktes von der Herstellung zur Endkundin nicht so komplex war sondern eindi-mensional. Wir kennen aus den Erzählungen unserer Eltern, wie am Markttag die Kuh die Eigentümerschaft direkt gewechselt hat vom Hersteller Bauer/Bäuerin zur Endkundin. Hand – wahre – Hand. Hochmittelalterliche Rechtsregel. Hier Ware. Da Geld. Hier die Kuh. Da die Münzen. Kaum Rechtsprobleme. Händlerregress, Gewährleistung oder Schadenersatz war als solches nicht einmal bekannt.

     

    1. Wir selber kennen es aber auch als Leser von Asterix und Obelix. Auch bei den Galliern war die Rechtsdogmatik noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie auch die Tatbestände der Gewährleistung und des Schadenersatzrechtes gekannt hätten. Prägnant für die Gallier war vielmehr das Selbsthilferecht, welches wir in unserer Rechtsordnung nicht mehr (durchgängig) kennen. So funktionierte bei den Galliern das Rechtsgeschäft durch Tauschhandel. Hinkelstein gegen Fisch. Wenn der Fisch des Fischhändlers Verleihnix wiederum einmal verdorben war dann behalf sich Obelix – so einer Art Gewährleistung – packte den Fisch und zog ihn, ohne nicht davor Mängelrüge erhoben zu haben indem er lautstark schrie „Verleihnix deine Fische sind verdorben“, selbigem (Verleihnix) über den Scheitel. Hier hatten wir schon die Ansätze eines modernen Gewährleistungsrechts. Das moderne Gewährleistungsrecht in § 922 ABGB hat ähnliche (mitunter nicht gar so gallisch ausgeprägte) Tatbestandsmerkmale. Damit sind wir bereits in medias res. Die Haftung des Zwischenhändlers aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzrechtes. Ich beginne mit

     

    Gewährleistung:

     

    1. Der Fischhändler Verleihnix hat dafür einzustehen, dass sein Fisch unverdorben ist. Gleich ob er ein Verschulden trägt oder nicht. Dem Obelix ist es vollkommen gleich ob Verleihnix daran Schuld trägt, dass sein Fisch verdorben ist oder nicht. Dem Obe-lix ist nur wichtig dass er für den Hinkelstein den er gegeben hat auch einen Fisch bekommt der vollkommen in Ordnung ist und nicht verdorben ist. Verleihnix hilft es nichts wenn er gegenüber Obelix beteuert „meine Fische stinken nicht und wenn, dann kann ich ja gar nichts dafür, die habe ich von einem ägyptischen Händler ge-kauft“. Obelix interessiert dies zu Recht nicht. Sein Hinkelstein war in Ordnung und mangelfrei, also darf er auch von Verleihnix erwarten, dass er einen Fisch liefert der ordnungsgemäß ist und nicht verdorben ist.

     

    1. So auch in der modernen Rechtsordnung. Jene Person, die Geld gibt, also Obelix gibt Geld (in Form eines Hinkelsteins) das in Ordnung ist und mangelfrei ist, darf für dieses Geld mangelfreie und ordnungsgemäße Ware (Gewerk) erwarten. Das moderne Gewährleistungsrecht auch ist so konstruiert, dass es verschuldensfrei ist. Wir kennen Fristen, die gebunden sind an die Erkennbarkeit des Mangels. Das war beim Fisch des Verleihnix kein Problem, das konnte man bereits bei Übernahme erkennen (riechen). Aber ansonsten ist das Gewährleistungsrecht an keine weiteren Regeln gebunden vor allem nicht an Verschulden. Die Rechtsordnung fordert vom Lieferunternehmen eine Ware die mangelfrei und ordentlich ist. Sie muss die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften ausweisen. Also jene Eigenschaften die man als Konsument voraussetzen darf. Ein Auto muss fahren. Ein Haarfön muss seine Funktion erfüllen. Ein Kühlschrank muss kühlen, Bodendielen dürfen nicht „schüsseln“ und Fische – auch die des Verleihnix nicht – sollten nicht verdorben sein.

     

    1. Nun, in unserem Beispiel haftet der Zwischenhändler aus dem Titel des Gewährleistungsrechts wenn die gelieferten Bodendielen nicht die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften tragen. Also wenn Sie „schüsseln“ oder nicht ausreichend getrocknet sind und daher Fugen verursachen oder dergleichen mehr. Der Zwischenhändler kann sich nicht darauf berufen, dass er daran gar nicht schuld sei. Er kann sich also nicht freizeichnen in dem er meint, das sei der Produzent (ägyptische Fischlieferant des Verleihnix) gewesen der die Bodendielen nicht ordnungsgemäß an ihn geliefert habe. Das hilft ihm im Gewährleistungsrecht gar nichts. Er hat dafür einzustehen, wenn er sich auf den Marktplatz begibt und Fische (Bodendielen) verkauft, dass diese Bodendielen (Fische) nicht „schüsseln“ (nicht stinken). Auch unser Verleihnix ist Zwischenhändler. Er hat die Fische ja auch nicht selbst hergestellt, sondern vom ägyptischen Fischlieferanten erhalten. Auch Verleihnix konnte sich, wir erinnern uns, nicht von seiner Haftung befreien indem er gesagt hätte, die bösen Ägypter die haben mir verdorbene Fische geliefert. Das hätte den Obelix aber gar nicht interessiert. Er wäre dem Verleihnix trotzdem mit dem Fisch – in Wahrnehmung seiner Gewährleistungsansprüche – nachgelaufen, mit ausgerufener Rüge „Verleihnix, deine Fische stinken“. Dies zu Recht. Also wir merken uns: Auch der Zwischenhändler kann nicht sagen: der böse Produzent hat mir schlechte mangelhafte Bodendielen geliefert. Er wird daher für seine mangelhaft gelieferten Bodendielen einzustehen haben. Er kann sich ja bei den Ägyptern (Produzenten) regressieren und schad- und klagslos halten. Nach österreichischer Rechtslage kann jedenfalls der Bodenleger nicht direkt auf den Produzenten (ägyptischen Fischlieferanten) zurückgreifen sondern hat sich im direkten Rechtsband an seinen Vormann nämlich den Zwischenhändler zu halten. Der haftet aus dem Titel des Gewährleistungsrechtes.

     

    1. Nun der Bodenleger muss freilich den Mangel nachweisen. Es trifft ihn im Rahmen des Gewährleistungsrechtes die Beweislast. Der Zwischenhändler kann sagen nein die Bodendielen sind eh gut und in Ordnung. Der Bodenleger muss daher (z. B. mit Gutachten) die Mangelhaftigkeit des Bodens nachweisen. Dann hat aber der Zwischenhändler keine Chance mehr. Obelix wird dem Zwischenhändler (Verleihnix) – auch ohne Sachverständigengutachten (für ihn ist durch prima-facie-Beweis die Verdorbenheit der Fische evident) – eine über den Scheitel ziehen.

     

    1. Soweit so gut. Damit ist der Bodenleger im Reinen. Er bekommt seine Bodendielen neu. Er kann Verbesserung verlangen. Ist Verbesserung nicht möglich dann kann er neue Ware begehren. Insoweit alles gut für den Bodenleger.

     

    1. Sie werden aber einwenden. Was ist nun mit den Einbau- und Ausbaukosten. Mit den Transportkosten. Mit dem frustrierten Aufwand. Telefonate, Besichtigungen, Zeitaufwand usw. Tja, da ist die Rechtslage klar. Dafür bekommt der Unternehmer (Bodenleger) aus dem Titel des Gewährleistungsrechtes keinen Cent. Obelix bekommt nur, wenn er Glück hat, einen neuen unverdorbenen Fisch. Sein Ärger, sein Zeitaufwand, seine Kosten die ihm durch das Nachlaufen entstanden sind um dem Verleihnix eine rüber zu ziehen, die bekommt er nicht ersetzt. Es war nämlich ein Unternehmergeschäft. Verleihnix ist Kaufmann und auch Obelix ist Kaufmann. Verleihnix vertreibt auf dem Markt Fische und Obelix vertreibt auf dem Markt Hinkelsteine. Beide sind Unternehmer. Die Rechtslage ist klar. Der Oberste Gerichtshof ist in seinen Judikaten versteinert. Aus dem Titel des Gewährleistungsrechtes gibt es bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmen nur einen neuen unverdorbenen Fisch aber keine sogenannten Mangelfolgekosten bzw. Ersatz von Mangelfolgeschäden. Also jene Schäden die eingetreten sind dadurch, dass der Mangel aufgetreten war. Die Beseitigungskosten des Mangels sind aus dem Titel der Gewährleistung nicht ersetzbar. Ersetzbar sind demnach nur die Reparaturkosten selbst, also die Verbesserung der Bodendielen bzw. die Neulieferung wenn eine Verbesserung unwirtschaftlich oder nicht möglich ist. Die daraus entstandenen Kosten – Mangelfolge-schäden also Transport-, Ein- und Ausbaukosten und Zeitaufwand sind aus dem Titel des Gewährleistungsrechtes nicht ersetzbar.

     

    Schadenersatz:

     

    1. Sie werden sagen, das ist aber ungerecht. Die Gesetzgebung antwortet Ihnen. Dafür gibt es nun das Schadenersatzrecht. Also, wir sind beim zweiten Institut aus unserem Referatsthema. Sie erinnern sich: Die Haftung des Zwischenhändlers aus dem Titel des Gewährleistungsrechtes und des Schadenersatzrechtes. Das Schadenersatzrecht ist nun dazu da Ihnen die Mangelfolgekosten zu entschädigen. Das sind also Ein- und Ausbaukosten, also die Kosten die Ihnen entstehen durch das Entfer-nen des Fußbodens und den Neueinbau des Fußbodens, die Transportkosten, Fahrtkosten und Zeitaufwand. Diese Kosten sind oft deutlich höher als die Reparaturkosten selbst. Nun ist es aber schon wesentlich schwieriger die Mangelfolgekosten, aus dem Titel des Schadenersatzrechts bei Gericht zu erstreiten. Das Schadenersatzrecht hat folgende Voraussetzungen:

     

    • Verschulden (wir haben uns gemerkt im Gewährleistungsrecht brauchen wir kein Verschulden des Verleihnix nachweisen)
    • Rechtswidrigkeit

     

     

    • Kausalität

     

     

    • Äquivalenz, Adäquanz usw.

     

     

    Sie sehen schon, im Schadenersatzrecht muss einiger Mehraufwand betrieben werden um bei Gericht zu obsiegen. Das wesentliche Element ist das Verschulden. Ein Verschulden dem Zwischenhändler (Verleihnix) nachzuweisen wird Ihnen nicht gelingen. Obelix wird dem Verleihnix das Verschulden am verdorbenen Fisch nicht nachweisen können. Obelix wird dem Verleihnix zwar nachweisen können, dass sein Fisch (auch ohne Sachverständigengutachten, weil gerichtsnotorisch prima-facie) stinkt, Obelix wird dem Verleihnix aber ein Verschulden daran nur sehr schwer nachweisen können. Verleihnix wird einfach sagen, die Ägypter haben mir schlechten Fisch geliefert, und ich habe es trotz stichprobenartiger Überprüfung nicht bemerkt (gerochen). Daß Verleihnix allenfalls den Fisch schlecht aufbewahrt hat wird dem Bodenleger und wird auch Obelix als Hinkelsteinlieferant nicht gelingen. Damit wird der Bodenleger grosso modo aus dem Titel des Schadenersatzrechtes gegen seinen Zwischenhändler bei Gericht keinen Erfolg (weil Beweisnotstand) haben.

     

    1. Aber auch der Vormann in der Absatzkette, das heißt der Generalunternehmer wird vom Zwischenhändler nur neue Fußbodendielen einbegehren können, nicht jedoch die Mangelfolgekosten wie Ein- und Ausbau da der Zwischenhändler ja selbst kein Verschulden trägt. Der Generalunternehmer wird dem Zwischenhändler voraussichtlich kein Verschulden nachweisen können an der Mangelhaftigkeit der Fußbodendielen. Das Verschulden trägt einzig und allein der Produzent (Hersteller). Auf den gibt es aber keinen direkten Zugriff. Heutige Rechtslage ist klar. Es gibt keinen Durchgriff an das produzierende Unternehmen.

     

    1. Ein Verschulden des Zwischenhändlers wäre nur denkbar wenn er bei zumutbarer Überprüfung der Fußbodendielen (Verleihnix bei seinen Fischen) erkennen hätte können, dass die Fußbodendielen in sich einen Mangel tragen. Also nicht ordentlich abgefeuchtet sind bzw. die Nut- und Federanschlüsse brüchig sind. Die Anforderungen an diese Überprüfungen sind nicht allzu groß. Der Oberste Gerichtshof meint dass das Zwischenhändlerunternehmen lediglich die Aufgabe habe, das Material ordentlich zu verwahren, ordentlich zu verpacken und stichprobenartig zu schauen (Verleihnix augenscheinlich zu riechen) ob die Bodendielen augenscheinlich in Ordnung sind. Damit kann aber der Zwischenhändler (Verleihnix vielleicht prima-facie schon, wie zumindest Obelix vermeint) niemals feststellen, dass die Bodendielen Fehler in sich tragen, daher wird, gemessen an den strengen Beweislastregeln, aus-scheiden, dass dem Zwischenhändler Verschulden nachgewiesen werden kann.

     

    1. ERGEBNIS:

     

    1. Ein Blick auf das Organigramm in der Absatzkette in unserem Fallbeispiel „Beispiel 1“ Bauherr-Generalunternehmer-Bodenleger-Zwischenhändler-Hersteller zeigt uns eine gesetzliche Haftung (§ 922ff ABGB) des Bodenlegers gegenüber dem Generalunternehmer sowie des Zwischenhändlers gegenüber dem Bodenleger und des Herstellers gegenüber dem Zwischenhändler aus dem Titel der Gewährleistung (verschuldensunabhängig) für Bodendielen die „schüsseln“. In der Absatzkette kann jeder Unternehmer Regress gegenüber seinem Vormann nehmen, soweit er selbst aus dem Titel der Gewährleistung in Anspruch genommen wurde. Nach aktueller Judikatur, hat der Unternehmer aus dem Titel der Gewährleistung (verschuldensunabhängig) gegen seinen Vormann keinen Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgekosten. Ersatz für Mangelfolgekosten (die oftmals deutlich höher sind als die Reparaturkosten selbst) gebühren dem Unternehmer gegenüber seinem Vormann lediglich aus dem Titel des Schadenersatzrechtes.

     

    1. Der Bauherr als Konsument (nicht als Unternehmen) hat nach dem Urteil des EuGH vom 16.06.2011 VerbRs C-65-09 (Gebr. Weber) und C-67-09 (Putz) Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgekosten (Ein- und Ausbaukosten) aus dem Titel der Gewährleistung, somit auch ohne Vorliegen eines Verschuldens des Unternehmens. Das Unternehmen (Bodenleger bzw. Generalunternehmer) hat dem Bauherr die Mangel-folgekosten zu ersetzen, kann seinerseits bezogen auf diese Mangelfolgekosten aus dem Titel des Gewährleistungsrechtes keinen Regress nehmen gegenüber seinem Vormann (Zwischenhändler). In der Judikatur finden sich zwei Ausnahmen hiervon:

     

    2.1. Streckengeschäft:

     

    Als Streckengeschäft bezeichnet man die Lieferung des Herstellers (Produzenten) direkt zum Bodenleger oder zum Bauherrn. Man würde nun meinen, dass der Zwischenhändler gar kein Verschulden tragen kann, wenn die Lieferung gar nicht über ihn erfolgt. Dies hat auch – in dem vom OGH entschiedenen Rechtsfall – der offen-sichtlich vertretende Rechtsanwalt der beklagten Partei (Tischler) gemeint (als weitsichtiger Rechtsanwalt hätte er besser nicht gemeint), weil er vorgebracht hatte (so-weit aus dem Judikat interpretiert werden darf), dass der Tischler (Zwischenhändler) sich ohnehin beim Hersteller informiert habe (damit gemeinter Weise ohnehin brav und tüchtig war) ob das Produkt (Steinplatten) tauglich ist für diese Baustelle. Der OGH hat jedoch entschieden, dass der Hersteller sich dann in die Interessenverfolgung soweit (brav und tüchtig) eingebunden hatte, dass er Erfüllungsgehilfe des Zwischenhändlers war und demnach (gewissermaßen als „Strafe“) dem Zwischenhändler das Verschulden des Herstellers zurechenbar ist. Der „brave und tüchtige“ Tischler (Zwischenhändler) wurde letztlich noch dafür bestraft, mit Zurechnung eines Verschuldens (und damit Ersatzpflicht für Mangelfolgekosten), weil er sich beim Herstel-ler über die Tauglichkeit des Produktes „brav und tüchtig“ informiert und sich dadurch von der typischen Position als Zwischenhändler entfernt hatte.

     

    Praxistipp an die Zwischenhändlerin: Ball flach halten (nicht ganz so brav sein) und Kontakt zum Hersteller (ägyptischen Fischhändler) meiden.

     

    2.2. Ein weiterer Fall ist jener des Immobilienmaklers der in die Herstellung und Erfüllung soweit eingebunden war, als er ein Inneneinrichtungskonzept zu erarbeiten hatte. Daher hatte der Immobilienmakler als Zwischenhändler auch die Verschuldenshaftung weil er sich eben in die Herstellung eingebunden hatte. Auch dieser Zwischenhändler (Immobilienmakler) hat sich von seiner Position als „normaler“ Zwischen-händler entfernt, weil er sich in die Herstellung und Erfüllung des produzierenden Unternehmens eingebunden hatte. Auch dies hatte zur Folge, dass dem Zwischenhändler (Immobilienmakler) eine Verschuldenshaftung zugerechnet wurde und er damit für Mangelfolgekosten haftbar wurde.

     

    2.3. Hätte der Zwischenhändler (Tischler) als „reiner Durchzugsposten“ fungiert und sich nicht noch durch die Einholung besonderer Informationen in die Herstellung und Erfüllung des Produzenten eingebunden, hätte ihn als Zwischenhändler (Tischler) – mangels Verschulden – keine Haftung für Mangelfolgekosten getroffen.

     

    2.4. „Nach ständiger Rechtsprechung haftet die Zwischenhändlerin für die Erfüllung der ihr selbst treffenden Pflichten, zu denen ua auch die Auswahl eines geeigneten Erzeugnisses gehört.“ (7 Ob 166/06x mwN = JBI 2007, 393; 5 Ob 92/07a). „Er haftet jedoch nicht für jedes Verschulden des Produzenten, da der Erzeuger in der Regel nicht als Erfüllungsgehilfe des Händlers anzusehen ist.“ (10 Ob 13/05t, 10 Ob 74/04m, 1 Ob 256/03g je mwN, RIS-Justiz RS0022662). Dieser allgemeine Grundsatz ist aber auf Kaufverträge einzuschränken, in denen die Zwischenhändlerin als reiner Durchzugsposten fungiert und eine Überspannung der von der Zwischenhändlerin zu treffenden Aufmerksamkeit gemäß § 1299 ABGB unwirtschaftlich wäre, wenn jede einzelne Zwischenhändlerin kostspielige Maßnahmen zur Kontrolle der Produkte treffen müsste. „Der Händler ist also im Allgemeinen nicht verpflichtet, eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit einer Ware bei gewissen Verwendungen vorzunehmen, weil er sich auf die ihm vom Produzenten gegebenen Hinweise verlassen darf, sofern er nicht aufgrund ihm bereits bekannt gewordener Schadensfälle Zweifel an der Richtigkeit haben müsste.“ (10 Ob 103/05t, 1 Ob 256/03g, 2 Ob 124/02b je mwN).

     

    • ZUSAMMENFASSUNG:

     

     

    Eine brandaktuelle Entscheidung des OGH hilft uns bei der Zusammenfassung des bearbeiteten Themenkreises. (OGH 3 Ob 243/18h, 20.03.2019)

     

      1. Nach der neuen gesetzlichen Bestimmung des § 933b ABGB wird dem Unternehmer (Bodenleger) der einem Verbraucher (Bauherrn) Gewährleistung erbringen musste, das Recht eingeräumt, von seinem Vormann (Zwischenhändler) auch nach Ablauf der Gewährleistungsfristen (2 Jahre oder 3 Jahre) Gewährleistung im Regresswege zu fordern. Dies entlang der gesamten Absatzkette. Ein „Sprungregress“ ist jedoch nicht zulässig. Die Geltendmachung eines Regresses ist immer nur vom Vormann in der Absatzkette möglich.

     

      1. Der Regressanspruch kann innerhalb von zwei Monaten nach Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht (Bodenleger an den Bauherrn) geltend gemacht werden.

     

      1. Regressansprüche verjähren jedenfalls nach 5 Jahren. Es empfiehlt sich jedenfalls, in einem Rechtsstreit seinem Vormann in der Absatzkette den Streit zu verkünden. Die Streitverkündung bei Gericht kann den Fristablauf hindern und damit einen Rückgriff nach § 933b ABGB an den Vormann wahren.
      2. Der neu geschaffene gesetzliche Rückgriff nach § 933b ABGB ist nicht zwingend. Vertraglich kann dieser Rückgriff (Regress) abbedungen werden. Inwieweit so ein vertraglicher Ausschluss des Rückgriffs nach § 933b ABGB gröblich benachteiligend oder sittenwidrig (§ 879 ABGB) sein kann, ist offen. Eine Judikatur, soweit ersichtlich, fehlt dazu bislang. Der OGH lässt auch den Ausschluss verschuldensabhängiger Ansprüche (Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit OGH 7 Ob 200/05w) zu, so-dass die Prognose einer Zulässigkeit einer vertraglichen Bedingung des besonderen Rückgriffs nach § 933b ABGB zulässig scheint.

     

    Praxistipp an die Unternehmen: den gesetzlichen Rückgriff nach § 933 b ABGB vertraglich abbedingen.

     

      1. Auch wenn dem Unternehmer (Bodenleger) ein höherer Ersatzbetrag zustünde, ist dieser jedenfalls nach § 933b ABGB mit der Höhe seines Aufwandes begrenzt.

     

    • AKTUELLE JUDIKATUR DES OGH:

     

     

    In der Entscheidung des OGH zu 3 Ob 243/18h vom 20.03.2019 geht es um folgenden Sachverhalt:

     

    Der Kläger ist Dachdecker (in unserem Fall Bodenleger). Der Dachdecker hat vom Zwischenhändler Dachziegeln eines bestimmten Modells gekauft. Der Dachdecker deckt beim Bauherrn das Dach des Einfamilienhauses mit diesen Dachziegeln ein. Der Bauherr klagt den Dachdecker. In der Klage führt der Bauherr aus, dass insbesondere bei Wind leider Wasser auf das Unterdach eintritt. Der Mangel am Dachziegel war weder für den Dachdecker noch für den Bauherrn erkennbar. Das Klagebegehren war auf Verbesserung durch Neueindeckung des Dachs gerichtet. Der Dach-decker zahlte den gesamten Werklohn (EUR 11.000,00) samt Zinsen dem Bauherrn zurück. Nun klagt der Dachdecker seinen Vormann (Zwischenhändler) von dem er die Dachziegel gekauft hatte. Gestützt auf den „Händlerregress“ gem. § 933b ABGB sowie gestützt auf Schadenersatz begehrte der Dachdecker vom Zwischenhändler insgesamt EUR 31.979,00 s.A. (Sie sehen schon, wie bereits in diesem Aufsatz mehrmals angekündigt, die Mangelfolgekosten können deutlich höher liegen als die Reparaturkosten selbst). Der geringere Teil des Klagsbetrages hat betroffen den Kaufpreis der Ziegel in Höhe von € 4.534,79 (also Reparaturkosten bzw. Naturalrestitution) wobei jedoch maßgeblicher Teil dieses Klagsbetrages in Höhe von € 31.979,00 die Mangelfolgekosten (Mängelbehebungskosten) sowie aus dem Titel des Schadensersatzes die bisher entstandenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten waren. Beide Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen. Der OGH bestätigt die Klagsabweisung mit einer Teilzurückweisung an das Erstgericht. Der OGH kommt zum Ergebnis:

     

    1. § 933b ABGB räumt dem Unternehmen (Dachdecker bzw. Bodenleger), der einem Endabnehmer (Bauherrn) Gewährleistung erbracht hat, keinen umfassenden Regressanspruch (alle getätigten Aufwendungen) gegenüber seinem Vormann (Zwischenhändler) ein.

     

    1. § 933b ABGB kann nur den eigenen Gewährleistungsanspruch des Unternehmens (Bodenleger bzw. Dachdecker) gegen seinen Vormann (Bauherrn) trotz Fristablauf sichern.

     

    1. Es gelten also für die Gewährleistung in der Händlerkette die normalen Gewährleistungsvorschriften der §§ 922 ff ABGB.

     

    1. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher der Gewährleistungsanspruch des Dachdeckers gegenüber dem Zwischenhändler nur auf die gelieferten Ziegel an sich beziehen. Der Anspruch ist deshalb mit dem Kaufpreis der Dachziegel in Höhe von EUR 4.534,79 begrenzt (Sie sehen daher: die Reparaturkosten bzw. Rückerstattung des Kaufpreises liegt der Höhe nach deutlich unter den eingetretenen Mangelfolgekosten). Den Kaufpreis der Ziegel in Höhe von € 4.534,79 hatte der Dachdecker seinem Zwischenhändler beim Kauf bezahlt. Der darüberhinausgehende Aufwand (Mangelfolgekosten welcher der Höhe nach deutlich über dem Kaufpreis der Dachziegel liegt) des Dachdeckers (seinen Werklohn für die Mühe der Dachziegel Verlegen, den er an den Bauherrn zurückbezahlt hat, Kosten des Vorprozesses an Rechtsanwalt und Gericht) kann nur einen Mangelfolgeschaden (Schadenersatzanspruch) darstellen. Da aber – auch für den Zwischenhändler – der Mangel des Dachziegels nicht erkennbar war, fehlt es am Verschulden des Zwischenhändlers. Der Ersatz eines Mangelfolgeschadens (Werklohn und entstandene Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) ist daher sowohl aus dem Titel der Gewährleistung als auch aus dem Titel des Schadenersatzrechtes ausgeschlossen. Der Dachdecker bekommt den von ihm eingeklagten Betrag in Höhe von € 31.979,00 s.A. in dieser Höhe nicht ersetzt. Der Dachdecker bekommt aus diesem Klagsbetrag lediglich den Kaufpreis der Ziegel (Naturalrestitution) in Höhe von € 4.534,79 aus dem Titel der Gewährleistung vom Zwischenhändler als Vormann in der Absatzkette ersetzt.

     

    1. Eine Analogie zum Anwendungsbereich von Gewährleistungsansprüchen für Verbraucher (Aus- und Einbaukosten, siehe Rechtssache Weber/Putz) ist freilich mangels gesetzlicher innerstaatlicher Regelung hierzu nicht möglich. Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern (Dachdecker und Zwischenhändler) sind Mangelfolgeschäden nur nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen ersetzbar. (OGH 25.03.2014, 9 Ob 64/13x)

     

    1. Auch ist eine Analogie zu einem neuen Gesetz im Kraftfahrzeugsektor nicht möglich. Am 01.06.2013 ist das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz (KraSchG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz gibt dem Unternehmen für erbrachte Gewährleistungsarbeiten gegenüber dem herstellenden Unternehmen einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz aller notwendigen und nützlichen Aufwendungen (Aus- und Einbaukosten). Für den KFZ-Sektor ist damit eine Regressbestimmung (verschuldensunabhängig), zu den sonstigen Gewährleistungsbestimmungen hinzugekommen (Markus Löscher, Ge-währleistung in der Absatzkette unter besonderer Berücksichtigung des Kraftfahrzeugsektors). Wie gesagt, ausschließlich und beschränkt auf den Kraftfahrzeugsektor. Ob eine Judikaturwende in nächster Zeit möglich scheint – also Ersatz von Einbau- und Ausbaukosten als weiteren Aufwand (Mangelfolgekosten) verschuldensunabhängig aus dem Titel der Gewährleistung, angelehnt an den Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkauf-RL-1999/44/EG (Gewährleistungsansprüche von Verbrauchern gegen Unternehmen, siehe Urteil des EuGH zur VGK-RL in den Rechtssachen Weber/Putz oder auch in Anlehnung an das neue Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz (KraSchG) – ist offen. Bis dahin ist – auch nach aktuell vorliegender Judikatur des OGH zu 3 Ob 243/18h vom 20.03.2019 – das Unternehmen (Bodenleger bzw. Dachdecker etc.) im Rahmen des „Herstellerregresses“ gem. § 933b ABGB gegenüber seinem Vormann (Zwischenhändler) aus dem Titel der Gewährleistung (verschuldensunabhängig) beschränkt auf die Höhe des von ihm (Bodenleger bzw. Dachdecker) tatsächlich an den Endkunden (Bauherrn) im Rahmen der Gewährleistung zurückgezahlten Kaufpreises des Parkettbodens bzw. der Dachziegel (lediglich € 4.534,79). Der darüber hinaus liegende Aufwand (Mangelfolgekosten deutlich über € 25.000,00) ist verschuldensabhängig und kann nur aus dem Titel des Schadensersatzes gegenüber dem Vormann (Zwischenhändler) geltend gemacht werden. Dieses Werkzeug versagt aber – mangels zuweilen Nachweisbarkeit eines Verschuldens (strenge Beweislastregeln der ZPO) – in der Regel.

     

      1. Armer Dachdecker, armer Bodenleger und armer Obelix. Die Drei Musketiere der traurigen Gestalt (in zivilrechtlicher Gewährleistungssicht besehen) haben als Unternehmer im Ergebnis aus dem Titel der Gewährleistung in der Absatzkette gegenüber dem Vormann lediglich Anspruch auf Lieferung (Verbesserung) einwandfreier Ware (Dachziegel, Bodendielen und unverdorbener Fisch) jedoch keinen Ersatz auf Mangelfolgekosten welcher Art auch immer. Diese sind nur nach bisheriger Rechtslage aus dem Titel des Schadenersatzrechts (strenge Beweislastregeln) ersatzfähig mit wenig Aussicht auf Erfolg.

     

    • GEWÄHRLEISTUNGSRECHT NEU 2022:

     

     

    Wie eingangs angekündigt darf ich einen kurzen Überblick über die neuen Gewährleistungsregeln 2022 geben. Mit der Verbrauchsgüterkauf-RL 1999 / 44 / EG wurde ein europäisches Gewährleistungsrecht etabliert. In Österreich wurde dieses europäische Gewährleistungsrecht umgesetzt durch das GewRÄG 2001.

     

    1. Mit folgenden Richtlinien wurde nun ein neues europäisches Verbraucher – Gewährleistungsrecht geschaffen, das in die innerstaatlichen Rechtsordnungen umzusetzen ist bis 01.07.2021 und ab 01.01.2022 anzuwenden ist:

     

      • Digitale – Inhalte – Richtlinie (DIRL)

     

    RL (EU) 2019/720 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen

      • Warenkauf – RL (WKRL)

     

    RL (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs

     

    1. Nochmals zur Wiederholung: Gewährleistung bedeutet die von der Gesetzgebung der Schuldnerin (Übergeberin) auferlegte Verpflichtung zum Einstehen für Sach- und Rechtsmängel, die der Vertragsgegenstand im Zeitpunkt der Erfüllung aufweist. Welche Änderungen werden nun im neuen europäischen Gewährleistungsrecht neu sein:

     

    1. Folgende Änderungen sind nur ein Überblick, einfach dargestellt und soweit ein erster Einblick ergeben hat – trotz Bemühung der unionsrechtlichen Gesetzgebung zur Einfachheit – sind diese kompliziert ausgefallen und vieles der noch kommenden Spruchpraxis der österreichischen Gerichte vorbehalten.

     

    Bisherige Rechtslage:

     

    1. Für bewegliche Güter ist die Dauer der Gewährleistung zwei Jahre. Für unbewegliche Güter drei Jahre.

     

    1. Die Gewährleistung ist ein im Gesetz verankertes Recht. Ein Unternehmen kann dieses Recht gegenüber der Konsumentin nicht einschränken. Abweichungen in ei-nem Vertrag oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sind gegenstandslos. Im Gegensatz dazu kann ein Unternehmen in einer freiwilligen Garantie mehr Pflichten übernehmen als die Gewährleistung gesetzlich vorgibt.
    1. Das Unternehmen haftet nur für solche Mängel, die bereits bei Übergabe vorhanden waren. In den ersten sechs Monaten ab Erfüllung (Übergabe) trägt für eine Mangelfreiheit der übergebenen Ware die Beweislast das Unternehmen (Übergeberin). Nach Ablauf dieser sechs Monate bis zum Ende der zwei Jahre bei beweglichen Gütern muss die Konsumentin beweisen (Beweislast), dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war.

     

    1. Was die Werbung verspricht muss das Unternehmen halten. Was immer auch in der Werbung vom Unternehmen angekündigt wird, gilt und ist Teil des Vertrages mit der Konsumentin. Werbeaussagen, Gebrauchsanleitungen etc. haben damit die Qualität einer vertraglichen Vereinbarung.

     

    1. Es gibt vier Arten der Gewährleistungsbehelfe:

     

      • Wandlung / Rückabwicklung des Vertrages

     

      • Preisminderung

     

      • Verbesserung

     

      • Austausch

     

    1. Dem Unternehmen wird ein Verbesserungsvorrang zugerechnet. Nur dann wenn die Verbesserung nicht möglich ist kann Wandlung/Rückabwicklung begehrt werden. Wenn Verbesserung oder Austausch für den Konsumentin mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären, kann diese auch Wandlung/Rückabwicklung be-gehren. Die Wandlung/Rückabwicklung ist bei geringfügigen Mängeln ausgeschlos-sen.

     

    1. Für Verbrauchergeschäfte gilt, dass die Gewährleistung für die Konsumentin kostenfrei zu erfolgen hat. Verbesserungskosten, Arbeits-, Material- und Versandkosten, Kosten eines Austausches der Ware gehen zu Lasten des Unternehmens (Übergebe-rin).

     

    Gewährleistungsrecht Neu 2022

     

    1. Das – in diesem Aufsatz mehrfach erwähnte – EuGH-Urteil C-65 09 und C-87/09

    Weber, Putz – wird durch das neue Gewährleistungsrecht etwas korrigiert. Die Pflicht zur Verbesserung oder Ersatzlieferung umfasst jedenfalls auch weiterhin den Ausbau der mangelhaften Ware und den Einbau der neuen Ware. Demnach bleibt die Kernaussage des Urteils Weber, Putz aufrecht. Das Unternehmen (Übergeberin) kann eine Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verweigern, wenn die Verbesse-rung oder ein Austausch unmöglich sind oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würden (Art. 13 Abs. 3 WKRL).

     

    1. Bei gebrauchten Waren kann die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr vertraglich verkürzt werden (Art. 10 Abs. 6 WKRL). Auch das ist eine Abkehr vom EuGH-Urteil C

    – 133/16 (Ferenschild).

     

    1. Die Vermutungsfrist (Beweislast) – bisher mit sechs Monaten befristet – ist nunmehr neu mit einem Jahr ab Lieferung (Übergabe) befristet. Die Mitgliedstaaten können sogar in der innerstaatlichen Umsetzung eine Vermutungsfrist von zwei Jahren vorgesehen. Damit rechne ich aber durch den österreichischen Gesetzgeber nicht.

     

    1. Die Gewährleistungsbehelfe werden wie bisher aufrecht bleiben.

     

    1. Die digitale-Inhalte-RL (DIRL) sieht vor, dass die Konsumentin zur Feststellung der Ursache der Vertragswidrigkeit mit dem Unternehmen im vernünftigen Ausmaß „zusammenarbeiten“ muss.

     

    1. In der WKRL wird ausdrücklich geregelt, dass das Unternehmen Waren zu liefern hat, die sowohl den „subjektiven“ Kriterien als auch den „objektiven“ Kriterien entsprechen. Diese objektiven und subjektiven Kriterien sind somit Mindeststandard der Leistungserfüllung. Ein Abweichen eines Merkmals der Ware von den objektiven Anforde-rungen ist nur dann möglich, wenn die Konsumentin dieser Abweichung „ausdrücklich“ und „gesondert“ zugestimmt hat, nachdem sie über die Abweichungen „eigens“ in Kenntnis gesetzt wurde. Den subjektiven Anforderungen entspricht die Ware dem-nach, wenn sie all jenen Anforderungen entspricht, die vertraglich der Art nach, der Menge nach, der Qualität nach und der Funktionalität nach den zwischen Unternehmen und Konsumentin vereinbarten „objektiven“ Anforderungen (Art. 7 WKRL) entspricht. Die Ware (Mindeststandard) entspricht, wenn die Ware die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, somit für den regelmäßigen Zweck gebraucht werden kann oder der Probe oder einem Muster entspricht bzw. die Ware übliche Merkmale erfüllt. Diese „objektiven“ Anforderungen hat das Unternehmen voraussichtlich, soweit das neue Gewährleistungsrecht verstanden werden darf, auch zu erfüllen, wenn sie nicht besonders vertraglich vereinbart wurden.

     

    1. Im Wesentlichen entsprechen diese objektiven Voraussetzungen den bisher schon bekannten „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ iSd § 922 Abs. 1 ABGB. Eine Abweichung von diesen „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ ist nur dann möglich, wenn die Konsumentin qualifiziert zugestimmt hat (siehe oben). Das Unternehmen kann daher vertraglich die „objektiven“ Anforderungen (gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften) schriftlich abbedingen, wenn dieser Abbedingung die Konsumentin „ausdrücklich“ und „gesondert“ zugestimmt hat und sie über diese Abänderung „eigens“ in Kenntnis gesetzt wurde.

     

    Praxistipp an die Konsumentin: es empfiehlt sich daher jedenfalls vorher zu lesen, was unterschrieben wird.

     

    1. Bisher hatte das Unternehmen für offenkundige Mängel „in die Augen fallende“ Mängel keine Gewährleistung erbringen müssen. Dieser Gewährleistungsausschluss hat auf dem Gedanken beruht, dass offenkundige Fehler der Sache von den Vertragsparteien konkludent in ihre Vereinbarung aufgenommen wurde und daher auch bereits bei der Preisbildung berücksichtigt wurden, sodass auch kein Gewährleistungsfall (Abweichung vom Vertrag) vorgelegen hat. Die beiden neuen Richtlinien (DIRL und WKRL) kennen soweit überblickbar diese Ausnahmebestimmung nicht. Dies zumindest für das Verbrauchergeschäft. Wenn daher ein Mangel, auch wenn er „offenkundig“ (sohin in die Augen fallend) ist, den „objektiven“ Anforderungen (gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften) nicht entspricht, hat das Unternehmen (Übergeberin) demnach Gewähr zu leisten und den vertragsgemäßen Zustand mit seinen „subjektiven“ und „objektiven“ Anforderungen zu erfüllen.

     

    1. Ausnahme ist wiederum eine vertragliche Zustimmung der Konsumentin zum Abweichen des Vertragsgegenstandes von den „objektiven“ Anforderungen (gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften) wenn die Konsumentin (freilich auch das Unternehmen) Zustimmung dazu gegeben hat, indem die Konsumentin „ausdrücklich“ und „gesondert“ zugestimmt hat und sie über das Abweichen des Vertragsgegenstands von den Anforderungen „eigens“ in Kenntnis gesetzt wurde.
      Praxistipp an das Unternehmen: das Unternehmen haftet auch für „offenkundige“ (sohin in die Augen fallende) Mängel. Vertraglich kann eine solche Haftung ausgeschlossen werden wenn die Konsumentin schriftlich „Zustimmung gegeben hat“ und dies noch dazu „ausdrücklich“ sowie „gesondert“ und darüberhinaus die Konsumentin über die „offenkundigen Mängel“ noch dazu „eigens“ in Kenntnis gesetzt wurde. Doppelt und dreifach gemoppelt. Also schon (zum Schutz der Konsumentin) eine schöne Latte. Die Praxis wird nach Implementierung des „Gewährleistungsrechts Neu“ im Jahr 2022 zeigen wie diese Regelung umgesetzt und letztlich bei Gericht judiziert werden wird.

     

    AUSBLICK:

     

    1. Soweit ersichtlich sind dies die für die Praxis wesentlichsten Neuerungen. Die Umsetzung der Richtlinien (WKRL sowie DIRL) in die innerstaatliche Gesetzgebung wird die tatsächlichen Neuerungen in ihrer dann geltenden Fassung zeigen. Die Anwendung bei Gericht und deren Spruchpraxis werden aufzeigen, ob die Neuerungen gelungen sind und inwieweit ein Nachbesserungsbedarf besteht.

     

    1. Zu hoffen ist, dass die eine oder andere Komplexität des „Gewährleistungsrechts Neu 2022“ – so wie mir beim Studium der Richtlinien scheint – doch durch die österreichischen Gerichte in der Anwendungspraxis entflochten wird, sodass ein „einfaches Gewährleistungsrecht Neu 2022“ künftighin unser(e) Begleiterin) sein wird. Ich möchte mir dies gerne – für uns alle als normunterworfenes Volk der demokratischen und präsidialen Republik Österreich in der wir, eingebettet in eine exzellente Rechtslandschaft, so gerne leben und wirken – wünschen.

     

    Wiener Neustadt, 27.04.2020

     

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